Grenzüberschreitende rechtsanwaltliche Tätigkeiten

EIRAG

Im grenzüberschreitenden Kontext ist auf das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich (EIRAG) hinzuweisen.

Daraus ergeben sich besondere Vorschriften für europäische Rechtsanwälte, die in Österreich vorübergehend tätig werden („dienstleistende europäische Rechtsanwälte“) oder eine Niederlassung errichten („niedergelassene europäische Rechtsanwälte“) wollen.

 

Dienstleistende europäische Rechtsanwälte

Dienstleistende europäische Rechtsanwälte haben die Berufsbezeichnung, die sie im Staat ihrer Niederlassung (Herkunftsstaat) nach dem dort geltenden Recht zu führen berechtigt sind, zu verwenden und die Berufsorganisation, der sie im Herkunftsstaat angehören, anzugeben.

Wollen sie Dienstleistungen vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde in Österreich erbringen, so haben sie auf Verlangen des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde ihre Berechtigung nachzuweisen. Wird dieses Verlangen gestellt, so dürfen sie die Tätigkeit erst ausüben, wenn der Nachweis erbracht ist.

Dienstleistende europäische Rechtsanwälte unterliegen auch der Aufsicht der zuständigen österreichischen Rechtsanwaltskammer, die auch den Nachweis der Berechtigung verlangen kann. Sie unterstehen bei der Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs auch der österreichischen Disziplinargewalt.

Bei Ausübung einer Tätigkeit, die mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängt, haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte die Stellung eines in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalts, insbesondere dessen Rechte und Pflichten, soweit diese nicht die Zugehörigkeit zu einer Rechtsanwaltskammer oder den Kanzleisitz betreffen.

Vor dem erstmaligen Einschreiten im Sprengel einer Rechtsanwaltskammer haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer schriftlich zu verständigen. Dafür genügt eine formlose E-Mail an office@ooerak.or.at, in der Sie alle relevanten Daten bekannt geben (Name des Vertretenen, Geschäftszahl, zuständiges Gericht etc.). 

Wesentlich sind auch die Bestimmungen zum Einvernehmensrechtsanwalt gem. § 5 EIRAG. Dieser wird benötigt, wenn der dienstleistende europäische Rechtsanwalt keine Eignungsprüfung (§§ 24 ff EIRAG) abgelegt hat und in Verfahren handeln will, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss oder ein Verteidiger beigezogen werden muss (Fälle der absoluten Anwalts-/Vertretungspflicht). Der Einvernehmensrechtsanwalt hat seine Rechtsanwaltskammer schriftlich über die Herstellung als auch einen allfälligen Widerruf des Einvernehmens zu informieren.

In Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sind europäische Rechtsanwälte nicht in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer einzutragen. Eine inländische Kanzleieinrichtung dürfen sie nur insoweit unterhalten, als dies zur Erbringung der vorübergehenden Dienstleistungen erforderlich ist. Von der Begründung der Kanzleieinrichtung haben sie die Rechtsanwaltskammer schriftlich zu verständigen.

 

Niedergelassene europäische Rechtsanwälte

Auf Dauer dürfen sich europäische Rechtsanwälte in Österreich unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaats zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit den sich aus dem EIRAG ergebenden Beschränkungen niederlassen, wenn sie auf Antrag in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte eingetragen werden.

In Oberösterreich sind derzeit 4 niedergelassene europäische Rechtsanwälte eingetragen.

Der Antrag auf Eintragung in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte ist unter Angabe des Kanzleisitzes im Inland an den Ausschuss der danach zuständigen österreichischen Rechtsanwaltskammer zu richten. Dem Antrag sind bestimmte Beilagen anzuschließen (vgl. § 10 Abs 2 EIRAG).

Niedergelassene europäische Rechtsanwälte haben die Berufsbezeichnung zu verwenden, die sie im Herkunftsstaat nach dem dort geltenden Recht zu führen berechtigt sind. Wer danach berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder „Anwalt“ zu führen, hat zusätzlich die Berufsorganisation anzugeben, der er im Herkunftsstaat angehört.

Das Eintragungsverfahren hat nach § 11 EIRAG zu erfolgen. Im Falle einer negativen Entscheidung steht das Rechtsmittel der Berufung an den Obersten Gerichtshof zu (§ 11 Abs 1 EIRAG iVm § 5a RAO).

Die Rechtsanwaltskammer hat die zuständige Stelle des Herkunftsstaats von der Eintragung in Kenntnis zu setzen.

Niedergelassene europäische Rechtsanwälte haben der Rechtsanwaltskammer unverzüglich das Ruhen oder Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Herkunftsstaat, den Wechsel der Berufsorganisation, der sie im Herkunftsstaat angehören, sowie jede Änderung ihrer Berufsbezeichnung im Herkunftsstaat mitzuteilen.

Auch niedergelassene europäische Rechtsanwälte müssen einen Einvernehmensrechtsanwalt beiziehen, außer sie haben die Eignungsprüfung abgelegt.

Niedergelassene europäische Rechtsanwälte unterliegen der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer und der Disziplinarbehandlung durch den Disziplinarrat und den Obersten Gerichtshof in sinngemäßer Anwendung des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter. Vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens hat der Disziplinarrat unverzüglich die zuständige Stelle des Herkunftsstaats unter Angabe aller zweckdienlichen Einzelheiten in Kenntnis zu setzen und diese auch über den Fortgang des Disziplinarverfahrens, insbesondere durch Übersendung der im Disziplinarverfahren ergehenden Einleitungsbeschlüsse, Beschlüsse über einstweilige Maßnahmen und Disziplinarerkenntnisse, zu informieren.

Wer eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich auf dem Gebiet des österreichischen Rechts, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, gemäß § 19 nachweist, ist auf Antrag in die Liste der Rechtsanwälte (§ 1 Abs 1 RAO) einzutragen. Auch in die Liste einzutragen sind niedergelassene europäische Rechtsanwälte unabhängig von der Dauer ihrer Tätigkeit, wenn sie mit Erfolg die Eignungsprüfung abgelegt haben.

 

Eignungsprüfung gem. §§ 24 ff EIRAG

Die Eignungsprüfung ist eine ausschließlich die beruflichen Kenntnisse des Bewerbers betreffende staatliche Prüfung, mit der seine Fähigkeit, den Beruf eines Rechtsanwalts in Österreich auszuüben, beurteilt werden soll. Die Eignungsprüfung muss dem Umstand Rechnung tragen, dass der Bewerber in einem Staat, der Mitglied der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, über eine berufliche Qualifikation zur Ausübung eines Anwaltsberufs verfügt.

Sie ist vor einem Senat der Rechtsanwaltsprüfungskommission in deutscher Sprache abzulegen. Die Zulassung zur Prüfung erfolgt über Antrag, welchem die in § 28 angeführten Unterlagen beizulegen sind. Sie besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil und darf zweimal wiederholt werden. Die Prüfungsgebühr beträgt EUR 695,00 und ist im Fall einer Wiederholung neuerlich zu entrichten (§ 34 EIRAG iVm § 4 Abs 1 Z 3 lit c Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Vergütungen und Gebühren für die Rechtsanwaltsprüfung, die Notariatsprüfung und die Prüfung der Gleichwertigkeit nach dem ABAG).

Nach erfolgreicher Absolvierung kann der Bewerber die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erwirken.  Für die Entscheidung des Ausschusses und die Rechtsmittelbefugnis des Bewerbers gelten §§ 5 und 5a RAO (Berufung an den Obersten Gerichtshof).